86 Tage, fast 3 Monate, 2 Städte, 3 Unterkünfte – Es ist viel passiert, die Wochen sind wie Jahre und die Monate wie Wochen. Bin ich nicht gerade erst angekommen? Lebe ich wirklich schon ein viertel Jahr in Kambodscha? Wenn man jedoch zurück guckt ist so viel passiert, jede Woche war vollgestopft mit Eindrücken, Erlebnissen, Erfahrungen, Herausforderungen, Gefühlen und neuen Menschen.
Meine Zeit in diesem neuen, mir immer bekannter werdenden Land kann ich eindeutig in 2 Teile einteilen. Die ersten 5 Wochen habe ich in der Blase in Phnom Penh gewohnt. 7 Jugendliche hocken aufeinander, haben Spaß, genießen ihre Zeit und lernen eine neue Kultur kennen- jedoch meist aus der Ferne. Erst eine Woche Einführungsworkshop mit viel Wiederholungen und kambodschanischem Essen. Jeden Tag sitzen wir zusammen und unterhalten uns über unsere Eindrücke und Beobachtungen: Wie funktioniert das Land? Wie verhalten sich die Menschen? Was ist anders? Was ist besser? Uns fällt viel auf, aber wir übersehen auch vieles. Die gemeinsame Zeit hilft uns allen, wir werden nicht sofort ins kalte Wasser geschmissen, kühl ist es zwar schon, aber nicht so eise kalt wie wenn wir alleine ohne mentale und organisatorische Unterstützung da säßen. Die folgenden 4 Wochen sehen ziemlich gleich aus, vormittags gehen wir gemeinsam zum Sprachkurs um Khmer zu lernen- die Basics klappen, doch alles darüber hinaus, da habe ich große Zweifel. Danach gemeinsames Mittagessen vom Markt oder dem Nudelsuppenstand, daraufhin entspannen wir uns in der klimatisierten Wohnung und dann geht es schon auf zur Arbeit. Der erste Tag war kurios, ich wurde nach der langatmigen Vorstellung aller NGOs und dem gemeinsamen Essen mit netter, aber ziemlich angespannten Unterhaltungen in das Büro geführt. Ich saß in dem wohnzimmerartigen Raum auf dem Boden und wurde von einem der mitarbeitenden Mönche mit lauten Worten und geworfenen Blütenblättern begrüßt. Danach stellten sich alle mit Namen vor – ich konnte mir keinen einzigen merken. Den ersten Tag lass ich mir viele Berichte über die Organisation durch danach wurde ich schon recht bald in die Arbeit meines Mentors eingebunden. Er gab mir Berichte und Lernpläne zum Korrigieren, stellte mir verschiedene Mitarbeiter vor, die mir über ihre Arbeit berichteten und erstellte mit mir einen Workshop zum Thema „Skillfull Parenting“. Alles eigentlich ziemlich cool, für den ersten Monat echt super. Trotz regelmäßigen, unglaublich freundlichen Gesprächen mit dem Mr. President und dem netten Umgangston (SCC policy: love and be nice to each other) war die Atmosphäre im Büro etwas distanziert, so dass ich die WG zuhause wirklich gebraucht habe – woran das lag, das weiß ich nicht, vielleicht ist einfach aller Anfang schwer. Freundschaftlicher Kontakt mit Khmers ist schwer zu finden (nicht unmöglich), vor allem wenn man nicht den drang hat „raus“ zu gehen und Bekanntschaften zu machen – da würde sich auch die Frage stellen: Wo? –wenn man seine gesamte Zeit mit netten, deutschen Freiwilligen verbringt, die genauso begierig sind wie man selbst die Stadt kennenzulernen, das Essen zu probieren und über die Zeit zu reflektieren. Als meine Zeit in Phnom Penh dem Ende hinzu ging war ich also froh raus aus der Blase zu kommen, aber auch traurig das doch so schöne, gemeinsame WG Leben hinter mir zu lassen. Am 24.09 machte ich mich also mit gebrochenen Khmer, Sorge und Freude über die bevorstehende Zeit auf den Weg nach Siem Reap.
Gastfamilie – Super um die Kultur kennen zu lernen und Anschluss an die Menschen vor Ort zu bekommen. Doch es gab ein kleines Problem, meine Familie konnte leider kein Englisch und aufgrund meines mangelhaften Khmers beschränkten sich unsere Unterhaltungen auf: njam bei? und chniang? Ich habe zwar viel Essen probiert und einen guten Einblick in eine Khmer Familie bekommen jedoch war es auch sehr einsam. Mir war klar, dass ich als kommunikative Person keine 3 Monate dort leben kann. Relativ bald habe ich nach deutschen gesucht, damit ich mich besser austauschen kann. (Es ist schade, aber wahr – am besten kann man seine Erfahrungen und Eindrücke in seiner Muttersprache teilen und vor allem mit Menschen die das gleiche durchmachen wie man selber) Direkt am Tag nach meiner Ankunft bin zur Arbeit gefahren. Ich habe ein Moto bekommen, mir wurden die Mitarbeiter vorgestellt und am Nachmittag ging es zum ersten Mal in die Schule. Nach anfänglicher Schüchternheit und Überforderung durch die ganzen neuen Eindrücke habe ich die Arbeit schnell kennen und lieben gelernt. Vormittags (8-10) unterrichte ich gemeinsam mit Savon, sie ist in der Schule meine Ansprechpartnerin. Da sie öfters mal nicht da ist oder zu spät kommt habe ich nach anfänglichem Zuschauen auch angefangen ab und zu komplett alleine zu unterrichten – Ja, es ist ein Challenge. Ja, es macht unglaublich Spaß. Danach unterrichte ich eine halbe Stunde den Lehrern ein bisschen Deutsch. Daraufhin habe ich Mittagspause, meistens bereite ich Unterricht vor, bearbeite Reports, poste etwas auf der Facebook Seite, schreibe meinen Zwischenbericht und esse mit einem Kollegen, der auch in der Schule bleibt. Um 14 Uhr beginnt die nachmittags Einheit, meistens machen wir das gleiche wie am Vormittag und um 16 Uhr kommen etwas ältere Kinder für eine Stunde vorbei. Die Kollegen sind alle unglaublich herzlich und nett. Oft sitze ich zwar nur daneben, wenn sie Khmer sprechen, doch ich werde gut mit einbezogen – man kann es Freundschaft nennen. Der Arbeitsplatz Schule fühlt sich eindeutig nicht mehr an wie die Blase in Phnom Penh. Man geht auf das Klo ohne Strom und Klopapier. Unterrichtet mit Stift, Tafel und zerfledderten Heften, spielt mit den Kindern auf dem staubigen Schulhof und ist durchgehend mit Khmer Menschen umgeben. Gut so!
Nach einem Monat in der Gastfamilie habe ich über Facebook nach einer WG umgeschaut. Eine Woche später bin ich in eine schöne Dreizimmerwohnung mit einer Schweizer Mitbewohnerin eingezogen. Die dritte im Bunde will im Laufe dieser Woche einziehen. Es ist schön zusammen zu leben und sich über das Leben hier auszutauschen. Zurückblickend haben die Vorbereitungswochen mich stark sensibilisiert und Blickrichtungen eröffnet, die mir hier bei der Reflektion sehr stark helfen. So lebe ich hier mein Leben, eigenständig, auf mich allein gestellt. Ganz anders als in Phnom Penh, aber auch schön – ein bisschen Blase ist zwar noch da, aber nicht mehr ganz so viel.
Drei Monate sind um, doch richtig angekommen fühle ich mich noch nicht. Sicherlich liegt es auch daran, dass ich erst ein paar Wochen in der neuen Wohnung lebe, dass ich an vielen Wochenenden weg fahre und das der Tag irgendwie doch immer gefüllt ist. Doch trotzdem freue ich mich schon darauf, wenn ich meine Alltagsroutine gefunden habe, mich auch ab und zu mal langweile, so dass ich mehr Sachen ausprobieren kann, mehr Menschen kennen lernen kann (doch eigentlich hat das schon ganz gut geklappt), mehr Zeit zum Nachdenken habe und vor allem mehr Zeit zum Lernen der Sprache: Immer wieder habe ich kleine Motivationsschübe, vor allem als ich in der Gastfamilie gelebt habe, doch im Großen und Ganzen scheint mir das Erlernen einer neuen Sprache als eine viel zu große Aufgabe, ich habe das Gefühl, dass ich in diesem Jahr nie zu dem Punkt kommen werde, an dem ich die Sprache meiner Meinung nach gut genug kann. Außerdem klappt es mit Englisch auch irgendwie immer, auch wenn es wunderschön wäre mehr von den Gesprächen zu verstehen. Ich hoffe, dass ich mich wirklich dazu aufraffen kann, leider habe ich aber die Vermutung, dass ich dazu einfach nicht genug Ehrgeiz habe. Ich bin noch nicht richtig angekommen, jedoch habe ich schon viele spannende Erfahrungen gemacht und merke wie sich nach und nach meine Sicht auf die Dinge verändern, ich kann es bis jetzt noch nicht genau in Worte fassen doch ich glaube das ich im Laufe der Zeit immer klarere Gedanken und Schlüsse aus dem hier erlebten ziehen kann. Denn das Leben hier ist auf jeden Fall anders, aber trotzdem leben wir hier in der gleichen Welt, also gibt es doch Ähnlichkeiten.
Das Leben zu betrachten ist unglaublich interessant, am Anfang und jetzt immer noch kann ich mich einfach an den Straßenrand stellen, mich in die Klasse setzten, vom Balkon runter schauen oder aus dem Busfenster gucken ohne mich zu langweilen und das für Stunden.